Metallomics 2011, das dritte internationale Symposium zur interdisziplinären Forschung im Bereich der Metalle in biologischen Systemen, findet vom 15. bis 18. Juni an der Universität Münster statt.
Gegenüber dem vorangegangenen Symposium im Jahre 2009 in Cincinnati
wird sich die Teilnehmerzahl auf etwa 300 verdoppeln. Dies mag ein
Hinweis auf die wachsende Bedeutung der Metallomics sein, eines jungen
Forschungsgebiets, das für die Biologie, Medizin, Toxikologie, und
weitere Wissenschaften wie den Umweltwissenschaften von höchstem
Interesse ist. Dabei kommt der Analytischen Chemie für die Gewinnung
neuer Erkenntnisse über die Rolle von metallhaltigen Biomolekülen in
biologischen Abläufen, für neue Diagnose- und Therapie¬möglichkeiten
oder die Aufklärung schädigender Wirkungen von Metallen auf Mensch und
Umwelt eine herausragende Rolle zu. So sind auch die beiden Vorsitzenden
des Symposiums Dr. Michael Sperling und Professor Dr. Uwe Karst
Analytiker aus Münster: Professor Dr. Uwe Karst hat als Schriftführer
des Arbeitskreises Separation Sciences in der Fachgruppe Analytische
Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) diese zudem als
Mitveranstalter der Tagung ins Boot geholt.
Der interdisziplinäre Charakter der Metallomics spiegelt sich auch in
den unterschiedlichen Disziplinen wieder, in denen die
Plenarvortragenden und Mitglieder des wissenschaftlichen Komitees der
Tagung beheimatet sind. So beginnt die Tagung mit einem Vortrag von
Professor Dr. Michael Schäfers vom European Institute for Molecular
Imaging in Münster. Er bemängelt, dass derzeitige bildgebende Verfahren
(Imaging) zur Vorbeugung und besseren Diagnose und Behandlung
kardiovaskulärer Erkrankungen nur auf morphologischer, nicht aber auf
molekularer Ebene Ergebnisse liefern können. Durch Molecular Imaging
soll Letzteres nun möglich gemacht werden. Hierfür benötigt man
fluo¬reszierende Moleküle oder radioaktiv markierte Wirkstoffe
(Radiopharmaka) und entspre¬chende Detektoren, die die Strahlung auf dem
Weg durch den Körper bis zu den Zielmolekülen verfolgen können.
Positronen- bzw. Gammastrahlen-Emitter wie Fluor 18, Gadolinium 68, Iod
123 und Iod 124 scheinen in Kombination mit
Positronen¬emissionstomography (PET) oder der
Einphotonenemissionstomographie (SPECT) bei kardiovaskulären
Erkrankungen erfolgversprechend zu sein. Schäfers stellt solch neue
Radiopharmaka vor, die bei kardiovaskulären Erkrankungen die relevanten
Zielmoleküle im Körper adressieren können.
Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, ALS oder
Huntington werden zurückgeführt auf redox-aktive Metalle wie Eisen und
Kupfer, die mehrfach ungesättigte Fettsäuren in den
Membran-Phospholipiden angreifen und so eine Lipid-Peroxidation
verursachen. Es entstehen reaktive Aldehyde und durch weitere darauf
folgende biochemische Veränderungen die fatalen Krankheitsbilder. Aus
der Chemie ist ein wirksamer Vorgang bekannt, Eisen und andere Metalle
Systemen zu entziehen, in denen sie uner¬wünscht sind: die
Chelatbildung. Von außen eingeschleuste organische Moleküle nehmen die
unerwünschten Metalle quasi in die Zange – das gelingt auch mit Eisen in
den Gehirn¬regionen. Das Dogma, derartige Prozesse könnten wegen der
angeblich unüberwindbaren Blut-Hirn-Schranke nicht ablaufen, konnte
wiederlegt werden. Dies zeigt Professor Dr. Robert R. Chrichton und sein
Arbeitskreis an der Université Catholique de Louvain auf, und er macht
klar, dass es dringend an der Zeit ist, das therapeutische Potenzial von
Chelatbildnern wie Deferoxamin, Deferipron oder Deferasirox zu nutzen.
Die exakte Beobachtung all der beeinflussten und unbeeinflussten
biochemischen Vorgänge kann nur die physikalisch-chemische/biochemische
Analytik leisten. Wie Professor Dr. Gary M. Hieftje von der Indiana
University in Bloomington zu berichten weiß, profitiert die Metallomics
in hervorragender Weise von den Fortschritten der analytischen
Techniken, die Fachleute mit LC, CE und ICP, TOF, DOF, TOFMS und DOFMS
abkürzen. Diese Techniken werden unter anderen von Arbeitsgruppen in New
Mexico, Washington, Tokyo, Dresden und Münster eingesetzt und weiter
entwickelt, um überraschende Einblicke in die molekulare Welt der
Lebensvorgänge zu gewinnen. Ähnliche Methoden unterstützen die gesamte
bioche¬mische Analytik – auch die der zahllosen in den
Lebenswissenschaften bekannten Schwefel- und Phosphorverbindungen, wie
Professor Dr. Naoki Furuta von der Chuo University in Tokyo zu berichten
weiß.
An einem Beispiel sei die Untersuchung solcher Vorgänge fest gemacht: an
der Anwendung von Cisplatin als Chemotherapeutikum und dessen
Interaktion mit den DNA-Nucleinbasen, die als klinische Biomarker
fungieren und an denen sich der Fortschritt einer pharmazeutischen
Behandlung erkennen lässt. Seit Cisplatin vor etwa 40 Jahren als
Chemotherapeutikum eingeführt wurde, konnten seine Wirkmechanismen in
Tumorzellen immer genauer studiert werden. Die Forschung wurde
ausgedehnt auf die gezielte Biomarker-Analyse, vor allem mit der
ICP-MS-Methode (Induktiv-gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie) zur
Element-analytik. Die Herausforderung, die äußerst geringen
Biomarker-Konzentrationen zu erfassen, ist groß, wie Professor Dr. Maria
Montes-Bayón von der Universität Oviedo in Spanien erläutert.
Schließlich geht es darum, die Selektivität der Medikamente zu
verbessern und deren Nebenwirkungen zu verringern.
Die von der Metallomics angesprochenen Themen sind nicht alle neu, aber
der noch junge Aspekt der Disziplinen übergreifenden ganzheitlichen
Bearbeitung verleiht dieser wichtigen Forschungsrichtung einen enormen
Schub.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 30.000
Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften
weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe
Analytische Chemie mit fast 2200 Mitgliedern. Die Fachgruppe sieht ihre
Hauptaufgabe in der Zusammenfassung aller an der analytischen Chemie im
weitesten Sinne interessierten Wissenschaftler und Praktiker zum Zwecke
der Förderung dieses Wissensgebietes. Für die unterschiedlichen
analytischen Disziplinen unterhält die Fachgruppe zehn Arbeitskreise.
Source: GdCh Pressemitteilung 10.6.2011